Wiedererweckung der Kirchenmusik
31. März, 2017Die Aufführung von Mendelssohns „Lobgesang“ am Sonntag in St. Aloysius ist ein Meilenstein in der jüngeren Geschichte der katholischen Kirche
Ralf Tiemann
Iserlohn. Weit oben in der Aloysius-Kirche, gleich neben der Orgelempore, wo es zum Glockenturm hoch geht, hängen sie als Erinnerungen noch an der Wand: die Konzertplakate aus längst vergangenen Tagen. Helmut Pieper (heute Lehrer und freischaffender Dirigent, Komponist und Konzertorganist in Ense), Georg Gusia (heute Dekanatskantor in Bielefeld), Harald Gokus (heute Dekanatskantor in Rheda) und Dirk Homberg (heute Kantor in Essen) hießen die damals allesamt blutjungen Kirchenmusiker, die Ende 80er- und Anfang der 90er-Jahre noch über einen großen katholischen Kirchenchor an St. Aloysius verfügten – und den zum Teil auch für große Konzerte mit Orchester nutzten.
Das letzte Plakat, das einen Hinweis darauf gibt, stammt vom Februar 1991. Mozarts Krönungsmesse stand da auf dem Programm, Dirigent war Harald Gokus. Auch im Archiv der Gemeinde stammt der letzte Programmzettel eines großen Orchesterkonzertes von eben dieser Mozart-Aufführung. Es ist also ein gutes Vierteljahrhundert her, dass an St. Aloysius mit eigenem Chor ein derartiges Orchesterkonzert realisiert wurde.
Trauriger Niedergang ohne Chöre und Kantoren
Danach erlebte die katholische Kirchenmusik in der Iserlohner Innenstadt zunächst einen traurigen Niedergang, der sie auch den traditionellen Kirchenchor gekostet hatte. Einen hauptamtlichen Kantor hat es seit damals für viele Jahre nicht gegeben, bis 2008 Tobias Aehlig als Dekanatskantor angestellt wurde und unter der Gesamt-Iserlohner Marke „Musica Sacra“ auch wieder neue Chöre ins Leben rief.
Dass der kommende Sonntag, an dem an St. Aloysius mit Mendelssohns „Lobgesang“ zum ersten Mal seit mehr als 25 Jahren wieder ein echtes Großwerk von katholischen Chören erklingt, angesichts dieser Historie einen echten Meilenstein bei der Wiedererweckung der katholischen Kirchenmusik in Iserlohn darstellt, ist auch dem jetzigen Kantor Christopher Brauckmann sehr bewusst. „Ein Meilenstein, auf den ich auch hingearbeitet habe“, wie er sagt. Seit drei Jahren ist Brauckmann in Iserlohn tätig und hat in dieser Zeit vor allem die Chormusik gefördert – als Dekanatskantor nicht nur an St. Aloysius, sondern im ganzen Pastoralverbund und darüber hinaus.
Denn während sein Vorgänger Tobias Aehlig in seiner Iserlohner Zeit vor allem den Grundstein für eine große Karriere als Orgelvirtuose gelegt hat, die ihn dann ja 2013 auch recht schnell als Domorganist nach Paderborn führte, „ist mein Lieblingsplatz ganz klar vor dem Chor“, wie Christopher Brauckmann sagt.
Glückliche Fügung begünstigt Großprojekt
Dass es jetzt am Sonntag mit dem „Lobgesang“ von Mendelssohn, bei dem neben dem Kammerchor im Pastoralverbund auch der Hagener Bach-Chor und der Chor der Musikschule Herne sowie Gesangssolisten und die Leverkusener Bayer-Philharmoniker mitwirken, gleich einen derartiges Großprojekt mit weit mehr als 100 Mitwirkenden wird, sei eine glückliche Fügung. Denn in ähnlicher Besetzung hatte Christopher Brauckmann schon vor drei Jahren zum Abschluss seines Studiums das Requiem von Brahms in Köln geleitet. Nun hat er Chöre und Orchester erneut zusammengeführt, was dank seiner Kontakte auch vom finanziellen Aufwand her im Rahmen bleibt. Im Gegenzug wird der „Lobgesang“ jetzt auch in Castrop-Rauxel und später im Jahr im Programm der Bayer-Philharmoniker in Leverkusen aufgeführt.
Trotz der Erfahrungen mit den anderen Mitwirkenden betritt Brauckmann mit seinem Iserlohner Kammerchor bei dem Orchesterkonzert echtes Neuland – musikalisch als auch organisatorisch und von der Probenbelastung her. Am Dienstag wurden die Chöre erstmals in Herne zusammengeführt. Gestern war die erste Hauptprobe mit Orchester. Nun folgt noch die Generalprobe, und am Sonntag wird es dann ernst.
Iserlohner Kreisanzeiger vom 31.3.2017