Musik wie eine warme weiche Decke

23. Januar, 2020

Projektchor begeistert mit außergewöhnlichem Konzert in der St.-Aloysius-Kirche

Kantor Tobias Leschke hatte bei seinem englischen Carol-Projekt einen großen Chor versammelt.                                              <b>Wolfgang Meutsch</b>

Kantor Tobias Leschke hatte bei seinem englischen Carol-Projekt einen großen Chor versammelt. Wolfgang Meutsch

 

Miriam Mandt-Böckelmann

Iserlohn Die nackten Tannenbäume harren an den Straßenecken schon seit Wochen ihrer Entsorgung. Das Fest der Liebe, die Träume von Weltfrieden, einem Dach über dem Kopf für alle und sozialer Teilhabe scheinen in den Herzen der Menschen dem Kampf mit den Neujahrs-Vorsätzen gewichen zu sein. Als die Glocken von St. Aloysius zum Kirchenkonzert rufen, strömen die Iserlohner in Scharen.

In der Kirche füllen sich die Bänke, alles ist stimmungsvoll erleuchtet, und die Chorsänger werfen einen letzten Blick in die Noten: In sensationell vier Proben haben die rund 100 Männer und Frauen unter der Leitung von Dekanatskirchenmusikers (DKM) Tobias Leschke und seiner Assistentin Anna Kristina Naechster seit Anfang Januar ein Konzert der besonderen Art auf die Beine gestellt. Der Projektchor bringt mit der „Ceremony of nine lessons und carols“ eine Tradition der anglikanischen Kirche nach Iserlohn.

Andacht wurde erstmals 1918 gehalten

Bei der traditionellen Andacht in der Weihnachtszeit, die erstmals 1918 gehalten wurde, wechseln sich bekannte Weihnachtslieder („Carols“) mit neun kurzen Texten, den „Lessons“, ab. Beim Iserlohner Konzert stammten diese aber nicht aus der Bibel, sondern von Dichtern und Denkern von Hans-Dieter Hüsch bis Papst Franziskus. Projektchöre liegen im Trend, sie sind eine Entwicklung des Zeitgeists: Immer weniger Menschen wollen sich langfristig binden, das gilt für Vereine, aber auch Chöre – das kurzfristige Engagement ist gefragt. Für einen Chor bedeutet das sehr intensive Probenarbeit, es bleibt nur wenig Zeit, damit Chor und Dirigent die einzelnen Stimmlagen und die einzelnen Sänger zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen – menschlich und musikalisch. Vieles ist neu, man fremdelt, auch mit den Noten, und muss doch zusammen als ein Klangkörper sein Bestes geben. Körper, Geist und Stimme vereint im Sinne eines größeren Ganzen.

Texte bringen zurück auf den Boden der Gegenwart

Tobias Leschke hat diese Herausforderungen mit seinem Chor hervorragend gemeistert und so die Zuhörer in St. Aloysius verzaubert. Der sanfte, volle Klang füllt leicht den großen Kirchenraum, alles klingt ausgewogen, weich und warm. Bei den romantisch-langsamen Carols umschließt die Musik den Zuhörer wie eine weiche warme Decke, in den eher schnelleren Stücken wirkt alles tänzelnd und leicht. Ein echter Genuss. Die Texte bringen die Zuhörer wieder auf den Boden der Gegenwart. Sie handeln von Jesus, der selbst ein Ausgestoßener war und von der Hoffnung darauf, dass „Frieden sein wird, wenn wir auch in den Ausgegrenzten unseren Nächsten sehen“ und „wir die Würde jedes Menschen achten“.

Die nächste „lesson“ handelt vom Wunsch, die Weihnachtsbotschaft an 365 Tagen im Herzen zu tragen und davon, jedem Menschen seine Würde zu lassen. Die Zuhörer feiern mit stehendem Applaus die Leistung des Chores. Als Zugabe gibt es das beschwingte „The first noel“ über die Hirten, die in der Winternacht den Weg zur Krippe gefunden haben.