Noch ein Jahr ohne Chorkonzerte?

29. Januar, 2021
Die Kantoren der Stadt blicken skeptisch in die Zukunft. Wann wieder gesungen werden kann, weiß niemand, und auch Instrumentalkonzerte werden weiter verschoben.
 

Ralf Tiemann

Iserlohn Für Iserlohn war es eine große Errungenschaft, als das Kantorenehepaar Ute und Hanns-Peter Springer als Leiter des evangelischen Kantorats im Jahr 2010 zusammen mit dem damaligen Kantor im katholischen Pastoralverbund, Tobias Aehlig, das erste gemeinsame Jahresprogramm der Kirchenmusik vorgelegt haben – ein Vorreiterprojekt der Ökumene in Iserlohn und für die Kirchenmusik im ganzen Land, vor allem ein Quantensprung für das Musikleben der Stadt. Schließlich haben die Iserlohner Konzertgänger seitdem die kompletten Planungen ihrer aktivsten Musiker auf einen Blick.

Eigentlich hätten wir das Jahresprogramm 2021 schon längst in unserer Zeitung vorgestellt. Wenn es denn eins gäbe. Geplant wird aber auch in der Kirchenmusik, die das Musikleben in Iserlohn sonst so bestimmt, schon lange kaum noch etwas. „Der Chorbetrieb ist ja ohnehin der letzte, der wieder starten darf“, sagt der katholische Dekanatskantor Tobias Leschke – immer noch leicht erschüttert, dass ausgerechnet das Singen neuerdings so gefährlich ist. Eine Erschütterung, die auch Hanns-Peter Springer teilt. Wer einen Einblick in seine Erfahrungen des letzten Jahres gewinnen möchte, dem sei sein digitaler Neujahrsempfang auf dem Youtube-Kanal „Versöhnung Iserlohn“ empfohlen. Singen löst da das „Wingsuit-Fliegen“ als gefährlichstes Hobby ab.

Große Hoffnungen, in naher Zukunft wieder mit de Chören proben zu können, haben jedenfalls beide nicht. Vielleicht wieder ab Sommer? Das wäre schön, sagt Tobias Leschke. Und es wäre absolut notwendig, um das Mozart-Requiem, das im vergangenen November ausfallen musste, im kommenden November zu wiederholen. Leschke ist aber skeptisch, ob das klappt. Bis dahin gibt es virtuelle Angebote, Videos und mit seinem jungen Chor plant er eine Karnevalsfeier per Zoom – man schlägt sich halt so durch.

Immerhin hat er noch einige Instrumentalkonzert für das erste Halbjahr angesetzt (siehe Infokasten unten). Den Auftritt des Amadeus-Guitar-Duos, eigentlich für den Valentinstag am 14. Februar geplant, musste er aber schon wieder in den Mai verschieben.

Die ewige Verschieberei hat Hanns-Peter Springer schließlich dahin gebracht, gar nichts mehr aktiv zu planen – auch keine kleinen Instrumentalkonzerte ohne chorische Aerosol-Gefahr. Im Juni gebe es einen landeskirchlichen Orgeltag, da werde er sich beteiligen. Aber sonst gibt es keinerlei Termine. „Wir haben letztes Jahr zweimal gesessen und alles verschoben“, sagt er. Und das erzeuge keine gute Stimmung und keinen positiven Geist.

„Ich möchte weg vom Hangeln und Vertrösten“, sagt er. Stattdessen möchte er mit seiner Frau lieber positive Signale senden. Beide sind mit Video-Angeboten und virtuellen Chorprojekten sehr aktiv. Da gebe es durch Corona plötzlich sehr viel Knowhow. Es sei bemerkenswert, wie viele Menschen sich da aktiv einbringen und wie viele starke Beiträge allein zu Weihnachten so kurzfristig produziert worden seien. Eine Mobilisierung und Emanzipierung der Gemeinden, die Springer als sehr spannend empfindet, und die auch für die Nach-Corona-Zeit sehr wertvoll sein könne.

Den Kopf für das Positive frei bekommen

Von der Hoffnung auf einen baldigen Neustart für seine Chöre lässt er sich momentan aber nicht mehr antreiben. Eine Wiederholung des im November ausgefallen „Messiahs“ im kommenden Herbst sieht auch er skeptisch. Lieber entspannt er sich und macht den Kopf frei für andere Projekte. Nicht nur per Video. „Ich bin dazu übergegangen, Briefe zu schreiben, und gehe mit einzelnen Chormitgliedern spazieren. Das ist wertvoller als die negative Energie des Absagens.“