Iserlohn. „Magnificat“-Kammerchorkonzert der Extraklasse unter der Leitung von Dekanatskirchenmusiker Tobias Leschke begeistert in St. Aloysius in Iserlohn.
Von Hubert Schmalor
Iserlohn. „Magnificat“-Kammerchorkonzert der Extraklasse unter der Leitung von Dekanatskirchenmusiker Tobias Leschke begeistert in St. Aloysius in Iserlohn.
Von Hubert Schmalor
Eine musikalische Sternstunde zum Lobe Marias, der Mutter Gottes, hatte Dekanatskirchenmusiker Tobias Leschke konzipiert, in der zwei festliche Vertonungen des Magnificats die Eigenkomposition „Salve Regina“ einrahmten. Vieles drehte sich um Johann Sebastian Bach, auch wenn von ihm kein einziger Ton zu hören war. Der Lobgesang Marias aus dem Lukas-Evangelium hat in der Musikgeschichte zahlreiche Komponisten inspiriert, diesen als lateinischen Text in Form des Magnificat zu vertonen. Tobias Leschke hatte die Zuschauer in seiner Begrüßung eingeladen, „in die Kraft und Schönheit dieses Textes einzutauchen und sich auf seine Faszination einzulassen.“ Weiterhin wies Leschke auf die schwierigen akustischen Verhältnisse der Aloysiuskirche in Iserlohn hin: „Die komplexen Strukturen der beiden Magnificats sind eigentlich bei dieser Überakustik nicht aufführbar, deshalb sind wir in den hinteren Chorbereich ausgewichen, was optisch sicher nicht so optimal ist, akustisch sich aber in der Generalprobe als bester Kompromiss erwiesen hat“, erläuterte er die ungewohnte Anordnung der Aufführenden weit entfernt von den Zuhörern.
„Natürlich ist das Bach!“, war die Assoziation gleich nach den ersten Tönen. Strahlende Trompeten, barocker Festklang erfüllte den Raum und spätestens nach der großen Schlussfuge „Sicut erat in principio“ und einem klärenden Blick ins informative und attraktiv aufgemachte Programmheft war klar: Das war Bach! Allerdings nicht Johann Sebastian, sondern sein wohl in der Musikwelt bekanntester Sohn, Carl Philipp Emanuel Bach. Natürlich fällt auch hier der Apfel nicht weit vom Stamm, aber erstaunlich ist schon, dass des Sohnes „Magnificat“ im Gegensatz zu dem des Vaters so wenig bekannt ist – hat es doch vieles, was auch seinem Vater zur Ehre gereicht hätte. Nur eben etwas später entstanden, etwas klassischer, etwas homophoner angelegt. Ähnlich wie beim Magnificat seines Vaters ist der Text seiner Komposition auf mehrere, unterschiedliche Sätze verteilt. Zwei mächtige Chorsätze geben den Rahmen, ein etwas verhaltener Chorsatz (Et misericordia) wird in die Abfolge von solistisch vorgetragenen Arien eingefügt.
Im Aufbau sehr ähnlich konzipierte auch etwa 70 Jahre später der erst dreizehnjährige Felix Mendelssohn Bartholdy sein Magnificat. Mendelssohn Bartholdy war ein großer Anhänger von Johann Sebastian Bach und setzte sich in seiner Aufführungs- und Kompositionspraxis für die Wiederentdeckung der inzwischen etwas in Vergessenheit geratenen Werke des großen Meisters ein. So verwundert nicht die besonders in den Chorpassagen zu findende Vielzahl polyphoner Strukturen, die sich, natürlich unter Verwendung „romantisch“ erweiterter Harmonien, bis hin zu einer komplexen Fuge mit vier unterschiedlichen Themen steigern – das Werk eines Dreizehnjährigen, unglaublich. Und zwischen den beiden großen Kompositionen des Konzerts glänzte die kleine, aber sehr feine a-cappella Eigenkomposition „Salve Regina“ von Tobias Leschke, die durch variable Gegensätzlichkeiten und Klangreibungen, aber auch durch lyrische Melodieführung und eine harmonisch einfühlsame Schlusssequenz bestach.
Tobias Leschke hatte ein „Kammerchorkonzert“ angekündigt, sein Kammerchor des Pastoralverbundes Iserlohn ist jedoch dabei, mit seinen inzwischen mehr als 30 Sängern und Sängerinnen weit darüber hinauszuwachsen, ohne die Qualitäten eines kleinen Ensembles aufzugeben. So meisterte sein Chor die immensen Anforderungen der Werke und der Überakustik durch disziplinierte Artikulation, transparente, klare Stimmführung in den polyphonen Anteilen und konnte zusätzlich deutliche Pluspunkte bei einheitlicher und abgerundeter chorischer Klangentfaltung verbuchen. Tobias Leschke hat es geschafft, durch behutsame und fachlich abgesicherte Aufbauarbeit mit geschulten und offensichtlich chorerfahrenen Sängern einen Chor zu formen, der in Zukunft sicherlich noch öfters für musikalische Überraschungen sorgen und von sich hören lassen wird.
Auch für das konzentriert auftrumpfende und mit diversen Bläsern ergänzte Orchester Ghiribizzo war an diesem Abend Schwerstarbeit angesagt. Carl Philipp Emanuel Bach heißt eben nicht „leichter“ Bach und Mendelssohn Bartholdy ist auch nicht ein „Romantiker“, den man mal eben so vom Blatt spielen kann – Kompliment an das engagierte Ensemble. Bei den Soli und Arien beider Magnificats geht es in erster Linie um ausdrucksstarke, „malende“ und auch die Gefühle ansprechende Ausdeutungen des Lobgesangs Marias. Das Solistenquartett um Sophie Richter/Sopran, Heike Weber/Alt, Thomas Iwe/Tenor und Hanno Kreft/Bass, setzte dies mit durchsetzungskräftigen, sicher geführten und klangschönen Stimmen hervorragend um.
Am Rande bemerkt: Ein derart hochwertiges und sicher auch finanziell aufwendiges Konzert bei freiem Eintritt zu konzipieren, stellt, trotz unterstützender Sponsoren und der Hoffnung auf freizügige Spenden am Ausgang, eine interessante Variante der derzeitigen nicht nur im regionalen Raum zu beobachtenden Praxis dar.